Angst vor Putins Paranoia: Top-Beamter aus Kremlgarde flieht aus Russland
Kontrollverlust im Kreml: Top-Beamte fliehen zunehmend vor Putins Unwesen aus Russland. Das Moskauer Regime schränkt deswegen die Reisefreiheit massiv ein.
Moskau – Eine Diktatur, ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die drohende Gefahr der Zwangsrekrutierung zur Armee: Für viele Russen gibt es genügend Gründe für eine Flucht. Das gilt auch für Staatsdiener und Beamte. Gerade bei ihnen scheint es verstärkt einen Exodus zu geben – weshalb der Kreml bereits mit der Einschränkungen ihrer Freiheit reagiert – wie zu alten Sowjetzeiten. Dennoch können sich immer wieder einige Top-Leute aus dem Staub machen.
Wegen Ukraine-Krieg: Top-Beamter aus Kremlgarde flieht vor Putin aus Russland
Am Dienstag (4. April) hat jetzt ein spektakulärer Fall für Aufregung gesorgt: Mit Gleb Karakulow soll auch einem Mitglied der Kremlgarde die Flucht ins Ausland gelungen sein. 13 Jahre lang arbeite der Ingenieur beim Bundesgardedienst (FSO) und stellte für Präsident Wladimir Putin die Versorgung mit verschlüsselter Kommunikationstechnik sicher.
„Putin ist ein Kriegsverbrecher“, sagte der Top-Beamte in einem Interview mit dem Dossier Center, das von dem im Exil lebenden Kremlkritiker Michail Chodorkowski finanziert wird. Seit der Krim-Besetzung 2014, also weit vor Beginn des Ukraine-Krieges, habe er den Glauben an den russischen Machtapparat verloren. Doch der Angriff auf die Ukraine und die Zwangsrekrutierung russischer Reservisten hätten ihn in seinem Entschluss zur Flucht bestärkt. Er wisse, dass das Überlaufen russisches Recht verletze, sagte Karakulow. Aber: „Es
Karakulow ist dabei längst nicht der einzige abtrünnige Staatsdiener. Seit Beginn des Ukraine-Krieges verlassen viele junge, gut ausgebildete Russen das Land, darunter auch Beamte aus dem Staatsapparat. Ende Oktober 2022 berichtete das Nachrichtenportal Wjorstka, dass sich in einigen Abteilungen der Moskauer Stadtverwaltung die Zahl der männlichen Mitarbeiter, die Russland verlassen haben sollen, „auf 20 bis 30 Prozent aller Angestellten“ belaufe. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.
Flucht aus Russland: Putin lässt Beamten den Pass abnehmen und Reiseverbot erteilen
Mittlerweile scheint die Sorge vor dem Verlust vieler Geheimnisträger im Kreml aber durchaus recht ausgewachsen zu sein. Denn das Putin-Regime hat bereits mit Gegenmaßnahmen reagiert. So wurden nach Erkenntnissen des britischen Geheimdienstes vielen Beamten bereits die Pässe entzogen und das Reisen verboten. Besonders hochrangigen Staatsdienern soll die Bewegungsfreiheit sogar rund um den Wohnort vorgeschrieben worden sein, hieß es in dem im März veröffentlichten Papier des britischen Geheimdienstes.
Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, bestätigte kürzlich auf Anfrage der Financial Times die Verschärfung der Reisevorschriften. Ihm zufolge wurden Erwerbstätige in „sensiblen“ Bereichen in ihren Möglichkeiten, ins Ausland zu reisen, eingeschränkt. In Russland ist das dabei nicht ungewöhnlich. Denn bereits zu Sowjetzeiten war dies gang und gäbe. Seit der Krim-Besetzung wurde die Beschränkungen schrittweise reaktiviert und zunehmend wieder verschärft, hieß es in dem Bericht weiter.
Gleb Karakulow: Kremlkritiker nutzte Auslandreise zur Flucht vor Putin im Ukraine-Krieg
Trotz der Beschränkungen fand Kremlgardist Karakulow aber ein Schlupfloch. Laut einem Bericht der Mosow Times setzte sich der Ingenieur bereits im Oktober 2022 mit seiner Familie ab. Für seine Flucht nutzte er eine Auslandsreise von Putin nach Kasachstan. Mittlerweile lebt er den Angaben zufolge mit Frau und Kindern in der Türkei.
Für Putin ist der Vorgang nicht ohne Brisanz. Denn der Karakulow arbeitete in einer Einheit, die für Putin die abhörsichere Kommunikation rund um die Uhr ermöglicht. Dadurch hielt sich der Techniker jahrelang im engen Umfeld des Kremlchefs auf und begleitete ihn den Angaben zufolge bei 130 Reisen. Dadurch gewann er offenbar genug Einblicke in Putins Leben.
Aus Angst vor mangelnder Gesundheit: Putin isoliert sich seit Jahren – Insider packt aus
Putin sei absolut paranoid, berichtete Karakulow nun im Gespräch mit dem Dossier Center. Aus Angst vor einer Covid-Infektion habe sich der Kremlchef seit Jahren isoliert und verlange, dass jeder Mitarbeiter, der zu ihm vorgelassen werde, vorher zwei Wochen lang in Quarantäne gelebt habe. „Er hat krankhafte Angst um sein Leben“, sagte der Insider.
Um sich und seine Familie zu schützen, habe sich Putin ein Netz aus Abschottung und Täuschung zusammengebaut. So verfüge er in seinen Privathäusern über identische Büros, um seinen wahren Aufenthaltsort zu verschleiern. So sei er mal mit Putin in Sotschi gewesen, ein dort aufgezeichnetes Fernsehinterview habe aber suggeriert, dass Putin in seinem Moskauer Büro gewesen sei, berichtete der ehemalige Staatsdiener.
Ganz ungefährlich sind solche Aussagen aber nicht. Denn mit der Flucht sind die meisten Staatsdiener noch nicht aus den Fängen Moskaus heraus. So reichen die Arme des Kremls auch immer wieder bis ins Ausland, um Querulanten zu jagen. Das bestätigte unlängst Wladimir Osechkin in einem CNN-Interview. Der Kremlkritiker ist selber seit vielen Jahren auf der Flucht vor dem Putin-Regime und verhilft nach eigener Aussage seit Beginn des Ukraine-Krieges vielen Beamten bei der Ausreise. Doch damit hat er sich selber zur Zielscheibe gemacht. Erst im September 2022 entging er nach eigener Aussage einem versuchten Mordanschlag in Frankreich.